Wu Chi
.Nach der Vorstellung der alten Chinesen entspringt alles Leben einer Quelle, die jenseits aller Vorstellungen liegt, – dargestellt als ein leerer Kreis, das „wu chi“, die chinesische Schreibweise ist „wuji“.
Wuji ist der letzte Ursprung und die Große Leere, aus der alles Sein und Nicht-Sein entspringt.
Wuji ist die Quelle der Zehntausend Dinge, die die Welt der Erscheinungsformen hervorbringt.
Wuji ist die Einheit, die keine Dualität hat.
Wuji, Dao, ziran und wuwei sind Begriffe der altchinesischen Philosophie, die miteinander in inhaltlichem Zusammenhang stehen: das Dao, der Weg natürlicher und kosmischer Gesetzmäßigkeit, wuji, das letzte Eine, das dem Dao entspringt, ziran, das Selbst-so-Sein aller Natürlichkeit und wuwei, das Tun-ohne-Tun, nach dem man handelt, ohne störend einzugreifen in diese natürliche Entwicklung aller Phänomene.
Die großen Meister des alten China hatten großes Interesse darin, mit dieser letzten Quelle weitest möglich Verbindung zu erlangen und in Einklang zu kommen. Viele berühmte (und auch zahlreiche weniger bekannte) Werke der chinesischen Geistesgeschichte wie z.B. das „Dao De Ching“, das „Buch vom südlichen Blütenland“, die Schriften von Sima Chengzhen, 6. Jhd. oder das „Sandokai“ aus der japanischen Zen-Tradition geben Hinweise, wie der Mensch mit dieser Quelle und dem Dao, dem Weg der Natur, in Einklang kommen kann und wie er die Paradoxie einer gegenseitigen Durchdringung und Verschmelzung von Erscheinungswelt und Leerheit verwirklichen kann.
Für mich ist wuji im Geschehen des Tai Chi, des Qigong und des Shiatsu ein Symbol und eine Erinnerung: Symbol für die kunstlose Kunst, mit der diese drei einander ähnlichen Wege Harmonie oder Gesundheit verbinden – zwischen Geist und Körper, zwischen Greifbarem und Formlosen und zwischen Gestaltung und absoluter Freiheit des Schöpferischen.
Es ist eine Erinnerung an das unermessliche kreative Potential, das Natur an sich innewohnt – und damit auch uns Menschen: unserem Körper für die Gesunderhaltung, unserer Kreativität in der Kunst der Gestaltung unseres Lebens – und unserer inneren spirituellen Entwicklung ebenfalls.
That which has no form creates from.
That which has no existence brings things into existence.
That which is hidden makes things appear.
Form, existence, appearence – these are like dust carried on the wind,
like the skin of an animal.
That which does no work make the universe work.
Rumi: Poems of Rumi in a nutshell, II 1280 22
Das Dao, das man nennen kann, ist nicht das ewige Dao.
Den Name, den man nenn kann, ist nicht der ewige Name.
Das Namenlose ist der Anfang von Himmel und Erde.
Das Namen-Habende ist die Mutter der Zehntausend Dinge.
Stets ohne Begehren, sieht man das Geheimnis.
Stets voller Verlangen, sieht man die Erscheinungsformen.
Ihr Ursprung ist derselbe, nur im Namen verschieden.
Dort, wo am tiefsten das Tiefe,
liegt aller Geheimnisse Pforte.
aus dem Tao Te King, Vers 1, frei übersetzt nach Gia-Fu Feng u. Jane Englisch